Qualität

Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement sind geeignete Instrumente zur stärkeren Profilierung und Professionalisierung von Familienbildungsstätten bzw. Familienbildungsangeboten. Für alle Anbieter von Dienstleistungen wird es – insbesondere mit Blick auf eine Finanzierungssicherung – immer wichtiger, die Wirksamkeit ihrer eigenen Arbeit zu überprüfen und Angebote systematisch und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.

„Seit einigen Jahren ist eine sehr lebhafte bildungspolitische sowie wissenschaftliche Diskussion um die Qualität im Bildungs- und Sozialbereich zu beobachten. (…) Der Qualitätsentwicklung (wird) zukünftig eine zentrale Rolle sowohl für die Bestandssicherung als auch die Weiterentwicklung dieser Einrichtungen zukommen. (…) Es lassen sich insbesondere folgende Begründungen für die Relevanz der Qualitätsdebatte anführen:

  • Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Bildungsanbietern auf vergleichbaren Feldern ist größer geworden. Die Gewährleistung guter Qualität stellt einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt dar.
  • Die Teilnehmerinnen stellen höhere Ansprüche an die Qualität von Bildungsarbeit.
  • Die Ansprüche der Mitarbeiterinnen an die Qualität ihrer Arbeit steigen.
  • In Zeiten knapper öffentlicher Mittel wird Qualitätskontrolle von Förderern als ein Instrument zur Effizienzsteigerung gesehen.

Allerdings wäre es falsch, so zu tun, als hätten sich Bildungsanbieter bislang nicht um die Qualität ihrer (Dienstleistungs)Produkte gekümmert. Die Bemühungen um Qualität bezogen sich bislang überwiegend auf die Beachtung pädagogischer Kriterien und die Durchführung von Lernkontrollen im Sinne einer Ergebnissicherung. Die neuen Qualitätskonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum einen nicht nur – und nicht einmal vorrangig – die pädagogischen Prozesse im engeren Sinne in den Blick nehmen, sondern die Institution insgesamt, die die pädagogischen Angebote organisiert. Die aktuelle Debatte rückt organisationsbezogene und prozessorientierte Kriterien im Rahmen einer Gesamtsicht von Qualität in den Vordergrund. Diese umfassende Gestaltung wird mit dem Begriff Qualitätsmanagement gefasst. Qualitätsmanagement impliziert ein geplantes, systematisches, umfassendes und auf Kontinuität angelegtes Vorgehen bei der Qualitätsentwicklung.“

(Schiersmann, Christiane; Thiel, Heinz-Ulrich; Pfizenmaier, Eva, 2001, Organisationsbezogenes Qualitätsmanagement. EFQM-orientierte Analyse und Qualitätsentwicklungs-Projekte am Beispiel der Familienbildung. S. 9f.

„Qualitätsentwicklung soll dazu dienen, im Interesse von Kindern, Jugendlichen und Familien die Intensität und Reichweite ihrer Bildungsarbeit zu erhöhen. Dabei ist hervorzuheben, dass bei der Entwicklung von Qualitätsdimensionen und dementsprechend erforderlichen institutionellen und fachlichen Veränderungen solche Kriterien und Vorgehensweisen entwickelt werden, die pädagogischen Prozessen entsprechen. In dem Bewusstsein, dass sächliche Mittel und pädagogische Techniken notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen guter Pädagogik sind, gelten als wichtige Kriterien des Prozesses der Qualitätssicherung pädagogischer Leistungen

  • die Elemente der Fachlichkeit (z.B. organisiertes Lernen, familienpädagogische Qualifikation, kommunikative Kompetenz, Entwicklungsorientierung, Erreichbarkeit und Zielgruppenorientierung, Offenlegung von Zielen und Vorgehensweisen, Subjektorientierung) und
  • die Wirkungstiefe (z.B. Information, Aufklärung, Identitätslernen).

(…) Insofern lassen sich auch die Wege genauer beschreiben, die zur Erreichung bestimmter Bildungsziele eingeschlagen werden müssen. Dazu zählt die Herstellung geeigneter, äußerer Bedingungen wie Räumlichkeiten und Lernumgebung ebenso wie eine teilnehmer/-innen-orientierte Lernstruktur, konkreter Lebensweltbezug und fachlich personelle Voraussetzungen.“

(Landschaftsverband Rheinland; Landschaftsverband Westfalen-Lippe, 1997, Wege der Familienbildung. S. 23f.)

„Eine Qualitätsdefinition im pädagogischen Bereich bewegt sich im Spannungsdreieck von Teilnehmer/innen, Pädagog/innen und Einrichtungen. Für die Qualität sind alle drei Faktoren von Bedeutung.
In ihrem Endergebnis bezieht sich pädagogische Arbeit auf die Entwicklung von Beziehungsqualitäten innerhalb der Familie und die Förderung ihrer einzelnen Mitglieder. Das Resultat pädagogischer Angebote ist der Lernprozess der Teilnehmer/-innen, der auf einem gelungenen Kommunikationsprozess zwischen Teilnehmer/-innen und Pädagog/-innen basiert (…) Da Bedürfnisse und Wünsche von Zielgruppen einem permanenten dynamischen Wandel unterliegen und gleichzeitig von Gruppe zu Gruppe variieren, ist auch die Definition dessen, was Qualität in diesem Bereich bedeutet, nicht statisch. Festlegbar sind allerdings Kriterien für die Qualität des Personals und die organisatorischen Voraussetzungen für pädagogisches Handeln. Da die Zielgruppen in den Einrichtungen jedoch variieren und die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Werten auch vom Gesetzgeber festgelegt ist, benötigen Familienbildungsstätten Rahmenbedingungen, die sie in die Lage versetzen, unterschiedliche Wertorientierungen sowie vielfältige inhaltliche und methodische Vorgehensweisen zuzulassen.“

(AHE, Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen und Familienbildungsstätten (Hg.), 2000, Qualitätsentwicklung in hessischen Familienbildungsstätten. S. 3)

„Das EFQM-Modell bezieht sich, wie andere Qualitätssicherungsverfahren auch, auf die Ebene der Organisation und die in ihr praktizierten Verfahren. Die Ebene der pädagogischen Arbeit selbst, die fachliche pädagogische Konzeption, wird inhaltlich nicht angefragt. Dadurch bleibt der Qualitätsbegriff formal und wird keiner fachlichen Diskussion unterzogen. Jede Einrichtung entscheidet selbst, welcher Art ihre konzeptionelle Grundlage ist. Das ist geradezu der ‚Trick‘, der es möglich macht, ein und dasselbe Qualitätssicherungsmodell auf ganz verschiedene Institutionen und Branchen anzuwenden. (…)
Ein auf die Bildungseinrichtung bezogenes Qualitätsentwicklungs- und sicherungsverfahren wie das EFQM-Modell bleibt also stets ein Stück formal und an den organisatorischen Rahmenbedingungen der Bildungsarbeit orientiert. Qualitätssicherung bedarf deshalb der Ergänzung um eine fachlich-pädagogische Diskussion (…) im Sinne einer Selbstkontrolle. Diese fachlich-pädagogische Auseinandersetzung erfordert eine Systematisierung und einen Ort, an dem eine solche Diskussion der Einrichtungen untereinander geführt werden kann. Das EFQM-Modell hat den Vorteil, dass nicht allein ökonomische Ziele und Angemessenheit der organistorischen Abläufe als Qualitätsmaßstab zum Tragen kommen, sondern dass die Möglichkeit besteht, die Durchführung von und die Beteiligung an fachlich-pädagogischen Auseinandersetzungen als Bestandteil der Qualitätsentwicklung und -sicherung einzubeziehen.“

(Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 1999, Epping, Rudolf; Koerner, Sabina, Qualitätsentwicklung in der Familienbildung. S. 77-79)

„Ein grundlegendes Konzept (Donabedian 1982) differenziert beim Qualitätsbegriff nach verschiedenen Dimensionen und Ansatzpunkten:

  • Zur Strukturqualität gehören alle sachlichen und personellen Rahmenbedingungen, d. h. rechtliche Grundlagen, räumliche Gegebenheiten, Ausstattung, Personalschlüssel und Qualifikationsstand, wie auch Leitbild und Konzept der Einrichtung.
  • Die Prozessqualität beschreibt, wie die realen Handlungen bei der Durchführung einer Leistung beschaffen sind, d. h. Kommunikationswege und Zuständigkeiten, Bedarfserhebung, Maßnahmen und Instrumentarien zur Erfolgskontrolle, aber auch Programmplanung und Programminformation, Didaktik und Interaktion mit den Teilnehmer(inne)n in der konkreten Angebotssituation sowie andere wichtige Schlüsselprozesse.
  • Die Ergebnisqualität beurteilt den Zielerreichungsgrad und die Wirksamkeit einer Leistung. Unterschieden wird dabei ein kurzfristig messbarer Output (z. B. Akzeptanz eines Angebots in Form von Teilnehmerzahlen) und ein Outcome (z.B. Kompetenzzuwachs der Teilnehmer(innen)), welcher eine breite Ergebnisanalyse unter Berücksichtigung von langfristigen Effekten sowie Nebenprodukten enthält. Die Dimensionen beeinflussen sich gegenseitig, was durch die Verfahren des Qua-litätsmanagements analytisch handhabbar und kreativ nutzbar gemacht werden soll.“

Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg, 2010:Handbuch zur Familienbildung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern, S. 148 Donabedian, Avedis, 1982: The Criteria and Standards for Quality. Michigan: Ann Arbor.

„Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement sind geeignete Instrumente zur stärkeren Profilierung und Professionalisierung einer Familienbildungsarbeit nach innen wie nach außen. Qualitätssicherung ist immer entwicklungsorientiert und setzt an den spezifischen Bedingungen einer Einrichtung an. Ziele sind die Verbesserung von Ergebnissen und Prozessen, eine Evaluation der Zielerreichung und das Festlegen nachhaltiger Entwicklungen. Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Familienbildung kann einen Aufschluss darüber geben, welche Familien mit welchen Ergebnissen erreicht werden konnten und welche Familien nicht erreicht wurden und warum. Nur so kann eine Nachsteuerung hinsichtlich der Zielgruppenerreichung erfolgen. Eine Qualitätsentwicklung bzw. -sicherung ermöglicht auch Aussagen über die Wirkung von Beteiligungsformen, von Integration und Inklusion. Ausgangspunkte des Prozesses der Qualitätsentwicklung und -sicherung können sein: Die Jugendhilfe-und Sozialplanung, das Leitbild einer Einrichtung, die Zusammenarbeit von Haupt-und Ehrenamt, die Zielgruppenorientierung und -erreichung, die Angebotsgestaltung, ihre Transparenz und Wirkung, Zugangsformen und notwendige Kooperationen.“

Strategiepapier zu einer lebensbegleitenden Familienbildung im Sozialraum der Bund-Länder-AG Familienpolitik der AGJF 2015, S. 7

In den letzten Jahren wurden neben dem Modellprojekt von Christane Schiersmann, Heinz-Ulrich Thiel und Eva Pfizenmaier, an dem sich ca. 50 Familienbildungs-Einrichtungen in drei Bundesländern beteiligten, in mehreren Bundesländern Qualitätsentwicklungsverfahren erprobt. Qualitätsentwicklung und –sicherung beruht in vielen Einrichtungen der Familienbildung auf EFQM-orientierten Modellen und dem Arbeiten mit Selbstevaluation. Verbände wie beispielsweise der AWO Bundesverband e.V. und die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Familienbildungsstätten haben darüber hinaus eigene Qualitätsnormen oder Qualitäts-Musterhandbücher für die Familienbildung entwickelt.