Orte

Mit dem Ziel, eine lebensweltorientierte und alltagsnahe Gestaltung und  die Ergänzung der bestehenden Komm- durch sog. Gehstrukturen zu erreichen, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine interessante Familienbildungslandschaft entstanden: an vielfältigen und für Familien alltäglichen Orten können Familien Bildungs-, Informations- und Beratungsangebote wie auch Begleitung und Austausch  zu allen familienrelevanten Themen finden.  So gibt es neben den „traditionellen“ institutionellen Orten der Familienbildung es zunehmend Ansätze und Konzepte, Bildungsangebote an weiteren Orten und in Kooperation mit anderen Einrichtungen, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch aus dem Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie der Wirtschaft, umzusetzen. Intention ist dabei, Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und -situationen besser zu erreichen

Vielfach wird Familienbildung in anerkannten Familienbildungsstätten, in Häusern der Familie, Elternschulen und Familien- und Nachbarschaftszentren unterschiedlicher konfessioneller und nicht konfessioneller Träger (Einrichtungen der Familienbildung) angeboten.
Darüber hinaus finden Angebote der Familienbildung in verschiedenen anderen Kontexten, z.B. Mehrgenerationenhäuser, Beratungsstellen, aber auch Mütterzentren statt. Hebammen bieten – neben der Betreuung rund um die Geburt – auch Gruppen für Eltern und Babys an. Volkshochschulen haben ebenfalls Elternbildungsangebote in ihrem Programm. Sportvereine bieten Eltern-Kind-Sport mit den unterschiedlichsten Aktivitäten und für verschiedene Altersgruppen. Krankenkassen bezuschussen Kurse der Gesundheitsförderung und Prävention (z.B. Entspannung, Ernährung) für Familien.

In den vergangenen Jahren sind zunehmend Ansätze und Konzepte entstanden, Bildungs- und Beratungsangebote dort zu machen, wo Eltern und Familien sich alltäglich und selbstverständlich bewegen und so Zugangsbarrieren abzubauen. Die familienunterstützenden Angebote diesen Orten entstehen zumeist in Kooperationen von Familienbildungseinrichtungen mit bestehenden Einrichtungen im Sozialraum.

Vernetzung und Kooperation

In ganz Deutschland sind in den vergangenen Jahren im Rahmen einer Förderung durch Bundes- oder Landesprogramme eine Vielzahl an Eltern-Kind-Zentren, Mehrgenerationenhäusern und Familienzentren entstanden. Familienbildung ist in diesen Einrichtungen ein zentraler Bestandteil der Angebotspalette.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat bereits am 1. August 2007 mit dem flächendeckenden Ausbau von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren begonnen. Diese Familienzentren sollen zu einer Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung und Förderung beitragen, Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgabe stärken sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern. Tageseinrichtungen für Kinder werden auf diese Weise Knotenpunkte in einem neuen Netzwerk, das Familien umfassend berät und unterstützt. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass die vorhandenen Angebote vor Ort stärker miteinander vernetzt und durch die Kindertageseinrichtung gebündelt werden. Um dies zu gewährleisten, kooperieren die Familienzentren mit Familienberatungsstellen, Familienbildungsstätten und anderen Einrichtungen wie z.B. den Familienverbänden und Selbsthilfeorganisationen.

Brandenburg fördert beinahe flächendeckend Eltern-Kind-Gruppen, die an Kindertagesstätten oder andere familiennahe Einrichtungen angebunden sind. Eltern-Kind-Gruppen sind Bildungs- und Betreuungsangebote für Eltern und ihre Kinder. Sie verbinden die Betreuung für Kinder mit Gesprächs-, Beteiligungs- und Unterstützungsangeboten für deren Eltern. Sie erweitern damit den Rahmen für soziale Kontakte, bieten hilfreiche Anregungen und eröffnen den Familien den Zugang zu anderen Angeboten. Kleinkinder erfahren hier Bildungsanregungen und Förderung, ihre Eltern Anregung und Unterstützung durch unmittelbare Anschauung und Mittun.

In Hamburg werden im Jahr 2017 rund 40 Eltern-Kind-Zentren an bestehenden Kindertageseinrichtungen gefördert. Aufgabe der Eltern-Kind-Zentren ist die frühe Bildung von unter drei Jahre alten Kindern (die bislang keine Kita besuchen) und die Stärkung der Erziehungskompetenz ihrer Eltern. Familien können ohne weite Wege, ohne Anmeldung und ohne Kita-Gutschein die Förder-, Bildungs- und Beratungsangebote nutzen und Hilfestellung in Erziehungsfragen erhalten. Durch sozialpädagogisch qualifizierte Fachkräfte sollen die Familien zur Selbsthilfe angeregt und gegebenenfalls motiviert werden, bestehende Beratungsangebote zu nutzen.

Berlin hat 2012 mit dem flächendeckenden Aufbau von Familienzentren in allen zwölf Bezirken begonnen. Im Landesprogramm wurden durch die SenBildJugFam 24 Familienzentren (pro Bezirk zwei Zentren) im Zeitraum von Oktober 2012 bis Ende 2013 gefördert. Im Anschluss an die Förderung 2012/13 standen auch in den Jahren 2014/15 sowie 2016/17 Mittel für Familienzentren zur Verfügung, die der Weiterentwicklung und dem Ausbau der bestehenden Infrastruktur dienen. Ziel ist es, durch die sozialräumlich ausgerichtete Entwicklung von Familienzentren, insbesondere an Kindertagesstätten, Anlaufpunkte für Familien zu schaffen. Dabei sind die Familienzentren unter Nutzung der vorhandenen Angebots- und Versorgungsstrukturen entstanden.

Die Landesregierung von Niedersachsen fördert die Schaffung von Mehrgenerationenhäusern. Diese Einrichtungen sind offene Tagestreffpunkte für Jung und Alt, in denen vielfältige Aktivitäten und Serviceangebote möglich sind. Mehrgenerationenhäuser sind geprägt von freiwilligem Engagement und Hilfe zur Selbsthilfe. Daneben sollen sie ein Netzwerk an Information, auch in professioneller Form, bieten. Die Mehrgenerationenhäuser orientieren sich am örtlichen Bedarf und sollen bereits vorhandene Angebote für Jung und Alt bedarfsgerecht miteinander verbinden und ergänzen.

Das niedersächsische Modell war Pate für das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des BMFSFJ auf Bundesebene. Mehrgenerationenhäuser helfen, Kinder zu fördern, Familien zu beraten, bürgerschaftliches Engagement zu aktivieren, alten Menschen eine Aufgabe zu geben und familiennahe und generationenübergreifende Dienstleistungen zu entwickeln und zu vermitteln.

Bundesverband der Familienzentren e.V.

Kindertagesstätten als Orte für Familienbildung haben einen besonderen Stellenwert:

  • Fast alle Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchen eine Kita, so dass über die Einrichtungen die Eltern gut erreicht werden können.
  • Kindertagesstätten als erste außerfamiliale Bildungs- und Betreuungsinstitutionen und Familie als primäre und wichtigste Sozialisationsinstanz brauchen eine sinnvolle Zusammenarbeit zum Wohl der Kinder und ihrer Familien.

Daher werden vielerorts Angebote zur Unterstützung der Erziehungskompetenz und Ideen, Kitas zu Orten für Familie zu entwickeln, erprobt und dokumentiert:
Die Early Excellence Centres in England haben für die Diskussion und Umsetzung hierzulande vielfältige Anregungen und Impulse gegeben:

In Großbritannien wurde seit 1997 sehr erfolgreich frühkindliche Förderung mit Angeboten der Unterstützung und Entlastung von Familien verknüpft. Die von der britischen Regierung besonders geförderten Early Excellence Centres verbinden ein qualitativ hochrangiges Bildungsangebot für Kinder mit vielfältiger Unterstützung für Familien:
Hier wird Kinderbetreuung mit Beratungsangeboten für Eltern, Unterstützungsangeboten für junge Familien und einem Gesundheitsdienst für alle Fragen zu Schwangerschaft und Kind verbunden. Innovative Konzepte zur frühkindlichen Erziehung werden mit Fortbildungsmöglichkeiten für Erwachsene kombiniert. Diese Angebote zielen darauf ab, Mütter und Väter in ihrem unmittelbaren Lebenszusammenhang zu stärken und ihnen den Erwerb zusätzlicher Kompetenzen und Qualifikationen zu ermöglichen. Kinder, Eltern und Mitarbeiter*innen entwickeln sich hier gemeinsam weiter und lernen von- und miteinander.
Mittlerweile wird der Ansatz „Integrative Familienarbeit in Kindertagesstätten“ in weiteren Einrichtungen in lebendige Praxis umgesetzt.
Verein Early Excellence Zentrum für Kinder und ihre Familien e.V.

In Modellprojekten verschiedener Bundesländer und Kommunen werden und wurden Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten erprobt:

Im September 2001 startete in Sachsen das Landesmodellprojekt Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen. Die Familie ist der zentrale Lebens- und Lernraum von Kindern und die elterliche Erziehungskompetenz ist entscheidend für die Entwicklung von Kindern. Vor diesem Hintergrund nutzte das Landesmodellprojekt vorhandene Strukturen der Familienbildung und der Kindertageseinrichtungen, um möglichst viele Familien in Sachsen mit erziehungsunterstützenden und präventiven Angeboten zu erreichen. Hierfür wurden landesweit Kooperationen zwischen Trägern der Familienbildung und Kitas aufgebaut.

Das Modellprojekt Primäre Prävention durch Familienbildung, -förderung und -beratung im Land Brandenburg – gefördert durch das Landesjugendamt Brandenburg – war ein Modellprojekt zur Vernetzung und Implementierung von Konzepten der Familienbildung, -förderung und -beratung für Familien mit Kindern vom Säuglings- bis zum Hortalter und zur Qualifizierung von Fachkräften im Land Brandenburg.
In drei Landkreisen wurden in Kooperation mit den örtlichen Jugendämtern, Beratungsstellen, Kindertagesstätten und freien Trägern Konzepte zur „Allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie“ (§16 KJHG) entwickelt, erprobt und ausgewertet.

Zum Weiterlesen:

Elternarbeit und Familienbildung in Kindertagesstätten, Gabi Koch

Das Programm KiFa- Kinder- und Familienbildung läuft seit 2003 an Ludwigsburger Kitas mit dem Ziel der Stärken- und Ressourcenorientierung.

Deutsches Jugendinstitut: Recherche Häuser für Kinder und Familien

Weitere Informationen zu Eltern-Kind-Zentren, Mehrgenerationenhäusern und Familienzentren finden Sie hier

Der § 16 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) benennt Familienbildung und Beratung sowie Familienerholung und -freizeit als Teil der Förderung der Erziehung in der Familie. Familienferienstätten bieten neben Urlaub und vielfältigen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Kinder und Eltern auch Bildungsangebote für Familien. Einige Bundesländer fördern ausdrücklich die Verbindung von Angeboten der Familienerholung mit der Familienbildung. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales (SMS) beispielsweise hat mit der Neufassung der Richtlinie Familienförderung die bisherige Förderung von Familienfreizeit und -erholung wird erhöht.

Informationen über gemeinnützige Ferienstätten und Buchungsportal:
Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung

Werkbuch: Familienerholung – ein  Recht auf Förderungspotenziale einer zeitgemäßen Kinder- und Jugendhilfeleistung

Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung

Mobile Familienbildung organisiert Familienbildung „vor Ort“. Maßnahmen und Angebote sind zwar institutionell verankert, haben aber aufsuchenden Charakter. So bieten z.B. Spielmobile Kontakt und Aktivitäten für Eltern und Kinder auf Spielplätzen an.  Andere Angebote werden wohnortnah in Kooperation von Familienbildungseinrichtungen mit regionalen Einrichtungen oder Institutionen wie z.B. Beratungsstellen oder Bibliotheken durchgeführt was sich insbesondere in ländlichen Regionen bewährt. Damit verbunden ist oft auch eine bessere Akzeptanz der Angebote.
Die „Mobile Elternschule“ des AWO-Bundesverbandes e.V. hat lange Zeit mobile Aufbauarbeit in ländlichen Regionen geleistet. Das Projekt ist mittlerweile beendet. Das Konzept und die Arbeitsweise werfen hier als Empfehlung zur Nutzung und Weiterentwicklung vorgestellt:
Mobile Elternschule – Abschlussbericht

Weitere Beispiele:

Elternforum- Mobile Familienbildung

Mobile Angebote des faz halle – CVJM Familienzentrum

Familienbildung wird mobil AWO Neubrandenburg

Mobile Elternschule – Abschlussbericht

Die Mobile Elternschule (MES) war eine bundesweit tätige familienpädagogische Einrichtung des AWO-Bundesverbandes e.V., die seit 1960 vom heutigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert wurde.

Ihre Schwerpunkte lagen in den letzten Jahren bei Angeboten zur Stärkung der Erziehungskompetenz für Eltern, bei Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte und trägerübergreifenden Vernetzungsansätzen in ländlichen Regionen lagen.

Seit ihrem Bestehen konnte die MES in über 100 Landkreisen dazu beitragen, freie und öffentliche Träger zur Institutionalisierung neuer Angebote der Familienbildung zu motivieren. Zum 30.9.2004 wurde das Projekt aufgrund des Beschlusses des AWO-Bundesvorstandes beendet. Die Erfahrungen der MES sollen dennoch nutzbar bleiben. Interessierte sind daher eingeladen, das erprobte Familienbildungskonzept der MES aufzugreifen und weiterzuentwickeln.

 

Einsatzorte der Mobilen Elternschule

„Innovative Konzepte in der Familienbildung orientieren sich – neben den „traditionellen“ und bewährten Ansätzen – an den Lebenswelten der unterschiedlichen Familien, um weitere Zielgruppen anzusprechen. Mit Familienbildungsangeboten in Betriebe zu gehen, ist eine logische Konsequenz auf der Suche nach neuen, innovativen Ansätzen, um die bis jetzt wenig erreichten Zielgruppen der Elternbildung anzusprechen: Väter, berufstätige Mütter und Migrant*innen.“
(Wiederkehr, Kathie, 2000, Projekt Clip – Elternbildung als Teil der betrieblichen Weiterbildung. In: Schweizerische Zeitschrift für Elternbildung 3/00 S. 10)

Betriebe und Unternehmen als Ort von Familienbildung und familienorientierter Weiterbildung bietet Beschäftigten die Chance, ihre Handlungskompetenzen in den beiden zentralen Lebensbereichen Erwerbstätigkeit und Privatleben zu reflektieren, weiterzuentwickeln und im Alltag anzuwenden. Die Themen betrieblicher Familienbildung sind adressatenbezogen und können sehr vielfältig sein, z.B. Konfliktlösungen im Berufs- und Familienalltag, Gesundheitsförderung und Stressbewältigung, Rollenvielfalt in Familie und Beruf oder Zeitmanagement. Obwohl familienorientierter Weiterbildung in Betrieb oder Unternehmen einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit darstellt, ist dieser Ansatz im Wesentlichen bislang nicht über Modellprojekte hinausgekommen und daher in der gesamten Familienbildung noch deutlich unterrepräsentiert.

Seminar Beruf und Familie in Balance in Kooperation von Ev. Familienbildungsstätte Wolfsburg und Volkswagen AG

Zum Weiterlesen:

Betrieb und Familie.PDF  (BMFSFJ, 2005, Kapitel 5.2.3.)