Neben Einzelveranstaltungen stellen die Gruppenangebote in Form von Kursen, Seminaren, Gesprächskreisen oder Elternabenden einen Schwerpunkt in der Familienbildung dar. Methodisch dominieren Formen der aktiven Bildungserfahrung. Martin R. Textor schreibt in „Familienbildung als Aufgabe der Jugendhilfe“ zu der methodischen Gestaltung von Familienbildungsangeboten:
Sie (die Methoden, V.W.) dienen in der Regel nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch der Selbsterfahrung, der Analyse relevanter individueller, familialer oder gesellschaftlicher Probleme, der Suche nach Lösungsmöglichkeiten, der konkreten Hilfe, der Entwicklung von in Ehe und Familie benötigten Kompetenzen sowie der Förderung von Solidarität zwischen den Teilnehmer/-innen. Viele Veranstaltungen enthalten spielerische Elemente, Kleingruppenarbeit, Rollenspiele, Freizeitelemente, Entspannungs-, Kommunikations- und Körperübungen. Bei Kursen auf Gebieten wie Haushaltsführung, textiles, kreatives oder musisches Gestalten, Gymnastik usw. stehen natürlich die entsprechenden praktischen Tätigkeiten im Mittelpunkt des Kursgeschehens.
Zumeist wird ein erfahrungs- und situationsbezogener Ansatz praktiziert: „Das heißt, dass die Arbeit in ihrer Thematik möglichst nahe an den Alltagserfahrungen der aus den unterschiedlichsten sozialen Lebensbereichen kommenden Teilnehmer/-innen anknüpft“ (Fischer-Köhler, 1997, S. 14). Die Veranstaltungen sind an deren Situation, Erwartungen und Bedürfnissen ausgerichtet; der persönliche Bezug bewirkt ein größeres Interesse, mehr Engagement und Handlungsbereitschaft. Die Vorgehensweise ist prozessorientiert, beachtet also die Gruppendynamik, die Fragen, Wünsche und individuellen bzw. familialen Probleme der Teilnehmer/-innen. Das bedeutet auch, dass heute Vorträge nur noch im Ausnahmefall als angemessene Form der Familienbildung angesehen werden: Im Mittelpunkt stehen die persönliche Ansprache, der Gesprächsaustausch, die Begegnung von Person zu Person bzw. der Dialog, in dem die Teilnehmer/-innen ihre Erkenntnisse, Werte, Einstellungen, Beobachtungen, persönlichen Erfahrungen und Schwierigkeiten einbringen können. Die Beiträge aller Anwesenden ergänzen einander, verdeutlichen neue Aspekte und Handlungsalternativen – das Gesprächsergebnis ist somit ein gemeinsames Produkt. Familienbildung ist dementsprechend ergebnisorientiert; das „persönliche Verwertungsinteresse“ an konkreten Lösungen, Strategien und Fertigkeiten wird mitbedacht.
Eine Besonderheit und eine Qualität der Familienbildung sind Bildungsangebote, in denen Kinder, Eltern oder auch Großeltern sowohl generationsübergreifend als auch individuell als einzelne Familienmitglieder, als Frau oder Mann, als Mädchen oder Junge angesprochen werden. Diese Aufgabe erfordert eine hohe methodische und kommunikative Kompetenz sowohl der professionellen als auch der ehrenamtlichen Familienbildner*innen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden.
Eine zentrale Herausforderung besteht darin, „Alltagsnähe“ auf struktureller, inhaltlicher und methodischer Ebene umzusetzen, um dem gesetzlichen Auftrag folgend ein Angebot für alle Familien zu schaffen:
Alltagsnah ist Familienbildung dann, wenn sie einladende Lerngelegenheiten und Lernumgebungen an den Orten anbietet oder durch solche Personen initiiert, zu denen benachteiligte Familien eine Bindung oder/und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Die Vertrautheit von Umgebung und Personen mindert die Zugangsschwelle für die Familien und kann die die Kinder betreuende Kindertagesstätte bzw. die Gruppenerzieher*innen, die Schule bzw. Lehrer*innen und Hortmitarbeiter*innen ebenso einbeziehen wie Kinderärzt*innen oder Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen, Stadtteilläden oder anderer sozialer Dienste. Dies macht es notwendig, dass sich die institutionelle Familienbildungsarbeit stärker noch als bisher in die bestehenden soziale Strukturen innerhalb eines Ortes oder Stadtteiles integriert und dauerhafte Kooperationen zwischen Trägern, Jugendhilfeausschuss, Jugendamt und kommunaler Verwaltung initiiert.
Alltagsnahe Strukturen von Familienbildung schaffen, bedeutet auch, Öffentlichkeitsarbeit und Zugangsmöglichkeiten zu überdenken und über neue Formen von Familienbildung für sozial benachteiligte Familien wie etwa aufsuchende oder mobile Familienbildung nachzudenken.
Eine inhaltliche Nähe zu den Adressat*innen haben Angebote der Familienbildung dann, wenn sie Fragen von unmittelbarem lebens- und alltagspraktischem Interesse ansprechen, konkrete Bedarfe von Familien aufnehmen und ihnen zeitnah einen – auch aus ihrer Sicht – konkreten Nutzen bringen. Themen bezogen auf Partnerschaft, Bildung, Erziehung (am Alter der Kinder orientiert) oder Medien sind dabei genauso relevant wie Information und Beratung zu rechtlichen Fragen und sozialen Notlagen, Umgang mit Behörden, Wohnungssuche, haushaltspraktischen Fertigkeiten oder Erholungsurlaub für einkommensschwache Familien (vgl. BMFSFJ 1981).
Mit „methodischer Nähe“ sind solche Unterrichtsverfahren gemeint, die Prozesse sozialen Lernens in den Mittelpunkt stellen und ein „learningbydoing“, also das Lernen durch praktisches Tun und Anwenden, ermöglichen. Kleinschrittige und überschaubare Zielsetzungen verbunden mit klar formulierten Umsetzungsschritten ermöglichen den teilnehmenden Müttern und Vätern schnell Erfolgserlebnisse und erhalten so ihre Motivation. Dabei können verschiedene didaktische, an den Ressourcen der Teilnehmer/-innen orientierte Methoden variiert und kombiniert werden: Austausch in Kleingruppen, Rollenspiele, Übungen zur Entspannung und zum Stressabbau, Phasen von Einzelarbeit und Selbstreflexion, aber auch praktische Tätigkeiten wie Werken oder Kochen und der Einsatz von Bildern, Symbolen und anderer visueller Medien. Eine Beteiligung der Familien an der Gestaltung der Veranstaltung (Gruppenregeln, Abläufe, Themen) ist ein Schritt auf dem Weg zur (Wieder-) Herstellung von Handlungsfähigkeit und Selbstsicherheit.
Wittke, Verena „Familien in benachteiligten Lebenslagen als Adressaten der Familienbildung“ TuP 04/2014
Die intensivste Form mit Eltern und Kindern zu arbeiten sind Familienbildungswochenenden: An einem gemeinsamen Thema arbeiten Eltern und Kinder sowohl in getrennten Einheiten als auch miteinander. Der Ortswechsel unterstützt den Abstand zum Alltag und macht neue Erfahrungen möglich.